„… die Zweiglein der Gottseligkeit steckt auf mit Andacht, Lust und Freud.“
Befremdlich wirkt ein derartiges Deutsch heutzutage in unseren Ohren. Diese Textzeile stammt aus einem Adventslied. Von Pfarrer Georg Weissel 1623 verfasst im ostpreußischen Königsberg. Anlässlich der Einweihung der Altroßgärtner Kirche: „Macht hoch, die Tür, die Tor macht weit“. Mit den „Zweiglein der Gottseligkeit“ meinte der Textdichter ursprünglich jene Palmzweige, die Einwohner von Jerusalem dereinst beim Einzug Jesu in diese Stadt vor ihm ausgestreut hatten. Worum geht es in der Zeit vor Weihnachten und am Fest selbst?
'Adventszeit' werden jene Wochen vor Weihnachten genannt. Christen bereiten sich auf unterschiedliche Weise vor auf die Ankunft dessen, der als kleines Kind in der Weihnacht in einem Stall geboren wurde. Weil für ihn und für seine Eltern „in der Herberge kein Platz“ mehr war. Dieses Zitat findet sich in der Bibel im Lukasevangelium bei Lk. 2, 7.
Die Geburt des Gottessohnes Jesus in Betlehem in Judäa vor mehr als 2000 Jahren ist und bleibt etwas Besonderes. Für Glaubende, für Suchende, für Zweifelnde. Manchmal sogar für jene, die nicht glauben können oder das nicht wollen.
Mehr oder minder leuchtender, glitzernder, bunter, geschmackvoller und dann und wann grenzwertiger Schmuck findet sich vielfach als Dekoration. An jenen Tagen, an denen es spät hell und relativ früh dunkel wird. Viele Menschen fühlen sich wohler, wenn es hell ist oder wenn die Sone scheint. Kleine und größere unterschiedliche Lichter in der Zeit vor Weihnachten machen Dunkelheit erträglicher.
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit. Ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zu gleich, der Heil und Leben mit sich bringt.“
Mit „Herren“ haben es manche Zeitgenossen nicht so. Bei Königen ist es ähnlich. Was ein „Heiland“ sei, fragen sich nicht wenige. Dies und noch mehr mit Jesus zu verbinden, ist gewagt. Hatte er doch dereinst den Seinen gesagt: „Wer von euch groß sein will, sei der Diener aller.“ (vgl. Mt. 23, 11). Zudem war er alles andere als königlich; jene Tafel, die über seinem Kreuz angebracht wurde mit der Aufschrift „INRI“ (Jesus von Nazareth, König der Juden) war alles andere als ernst gemeint. Sondern eine Verspottung, die ihresgleichen sucht. Was verbirgt sich hinter „Heiland“? „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; es ist Christus, der Herr.“ (vgl. Lk. 2, 11) Was die Hirten damals auf den Feldern von einem Engel gesagt bekommen, freut sie. Ein Retter oder ein Heiland ist jemand, der andere nicht im Stich lässt. Einer, der nicht verurteilt, nicht aburteilt. Oder sich gar darüber freut, dass und wenn es anderen schlecht geht. Im Gegenteil: Jesus kann heil machen, was verwundet ist. Aufrichten. Trösten und neue Zuversicht geben. Nicht nur und nicht erst an Weihnachten. In Bezug auf den Propheten Jesaja (vgl. Jes. 42, 3) sagt es Christus seinen Zuhörern so: „Das geknickte Rohr wird er (= der Heiland) nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen.“ (Lk. 12, 20).
Lassen wir uns in den Tagen vor dem großen Fest nicht beirren von manchem Trubel, von Hektik und Hast. Machen wir unsere Türen im übertragenen Sinn weit auf für den, der kommt. Als kleines Kind in der Krippe, das die Herzen derer berühren kann, die ihm wo auch immer begegnen. Mit Andacht. Mit Lust am Leben. Mit echter Freude darüber, dass das Christuskind auch mein Dunkel heller machen kann.
Br. Clemens Wagner ofm